Interview in der PMG Presse-Monitor 06-20 mit Marco Olavarria

„Wir müssen wohl mit einer erhöhten Unsicherheit aus beschleunigter digitaler Transformation bei ungewisser Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds leben.“

 

Marco Olavarria im Remote-WorkshopFrage 01 | Sie beraten viele mittelständische Unternehmen im Bereich Digitale Transformation. Churchill hat einmal gesagt: „Lass keine Krise ungenutzt.“ Wie können Unternehmen die aktuelle Krise im Sinne der digitalen Transformation für sich nutzen?

 

Marco Olavarria | Auf den Punkt gebracht: investieren. Die Wissenschaft hat hier klare Erkenntnisse für das Management: Wer in der Krise investiert, kann deutlich gewinnen. Wir schauen zum Beispiel darauf, wo sich vor der Krise bestehende Trends beschleunigt haben und wo neue Trends erkennbar werden. An diesen Stellen erfinden wir unsere Leistungen gerade neu. Wir hinterfragen bislang gültige Prinzipien und ersetzen diese durch neue, für den Kunden bessere Ansätze. Das wird zu neuen Produkten führen, die wir so bislang gar nicht angeboten haben. Womit wir unsere Zeit nicht verbringen ist, uns die Vor-Krisen-Bedingungen zurückzuwünschen.

 

Frage 02 | „Homeoffice“ und „Remote Work“ haben Prozesse und Workflows besonders in der internen Zusammenarbeit von heute auf morgen grundlegend verändert: Zoom-Calls statt persönliche Meetings und Reisen, ein Teamchat und Emojis als Ersatz für Kommunikation in der Kaffeeküche. Welche Chancen und Risiken sehen Sie darin für Unternehmenskommunikation und -kultur?

 

Marco Olavarria | Für die Unternehmenskultur gelten aus meiner Sicht weiterhin dieselben Grundlagen und Mechanismen: Die Kultur im Unternehmen wird auch künftig bestimmt durch das Verhalten des Topmanagements in Konflikten. Die Chance ist, dass das Topmanagement durch die geänderten Rahmenbedingungen neue Signale erhält. Aber diese Chance kann nur nutzen, wer sich selbst reflektiert und sich wichtige Fragen stellt: Wie verhalte ich mich in Konfliktsituationen? Welche Muster ergeben sich daraus im Unternehmen? Und welche dieser Muster sind für das Unternehmen funktional, welche dysfunktional? Die Herausforderung ist dann, dass man das eigene Verhalten entsprechend anpassen muss – was keine leichte Aufgabe ist. Aber dies ist unabdingbar, wenn eine kulturelle Veränderung erfolgen soll. Auf Ebene der Kommunikation gibt es vielfache neue Herausforderungen. Auf der Sachebene erzielen wir in der Arbeit mit unseren Kunden gleich gute Ergebnisse mittels Remote- und Blended Workshops wie in der Vor-Corona-Zeit. Aber doch fehlt noch etwas. Zum Beispiel die kleinen Gespräche vor und nach den Meetings sowie in den Pausen, in denen oftmals wichtige Übereinstimmungen getroffen werden. Hier müssen wohl neue Formate gefunden werden, zum Beispiel Remote-Meetings ohne eine Agenda, für den informellen Austausch im freien Fluss der Beteiligten. Die große Chance ist: Dies zwingt einen förmlich dazu, die bisherigen Kommunikationsflüsse und auch die Entscheidungsprozesse zu hinterfragen und aktiv zu designen. Das ist bisher in vielen Unternehmen viel zu wenig erfolgt.

 

Frage 03 | Es herrscht weitgehend Konsens, dass es kein Zurück zum alten Normalbetrieb mehr gibt und dass die digitale Transformation nun erst recht Fahrt aufnimmt. Welche Anforderungen stellen sich daraus Ihrer Ansicht nach der internen Kommunikation beim Monitoring von Medien und Erkennen von Trends?

 

Marco Olavarria | Wir müssen wohl mit einer erhöhten Unsicherheit aus beschleunigter digitaler Transformation bei ungewisser Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds leben. Orientierung zu aktuellen Entwicklungen gewinnt daher an Bedeutung. Und es sollte uns nicht überraschen, wenn Entscheider ihr Mediennutzungsverhalten weiter verändern. Daraus ergeben sich zwei Herausforderungen für die Kommunikation: Die eigenen Führungskräfte benötigen eine noch bessere Orientierungsleistung durch Informationsinput von außen. Zudem muss die Wirksamkeit der eigenen Kommunikation eng beobachtet und fortlaufend optimiert werden. Und im Hinblick auf Trends tun wir gut daran, uns von einem „Entweder-oder-Denken“ zu lösen, Filterblasen bewusst zu durchbrechen, in Szenarien und in „Sowohl-als-auch-Kategorien“ zu denken. Kommunikatoren sollten hierzu zu wichtigen Themen die vorherrschende Meinung in ihrem Unternehmen eruieren und bewusst andere Meinungen und Sichtweisen einbringen. Das wirkt nicht nur Fehlern aus einseitiger Wahrnehmung entgegen, sondern fördert Innovation – und die braucht es mehr denn je.

 

Frage 04 | Zu Ihren Kunden gehören auch Verlage und Medienhäuser. Es wird erwartet, dass der Wandel der Medienbranche nun noch schneller voranschreitet. Was bedeuten diese Veränderungen für die Unternehmenskommunikation? Worauf sollten sich Kommunikationsprofis auf Unternehmensseite einstellen?

 

Marco Olavarria | Die Verlage haben bereits viele digitale Kommunikationswege aufgebaut. Sie werden nun ihre Bemühungen in Richtung Paid-Content weiter forcieren, denn die erneuten Rückgänge der Werbeeinnahmen sind extrem schmerzhaft. Dadurch werden Angebote noch spitzer und die Unternehmenskommunikation muss immer mehr Kanäle im Blick haben, um effektiv zu kommunizieren. Die Pressemitteilung entwickelt sich daher mehr und mehr zu Pressebriefings. Diese enthalten Mehrwerte für die Journalisten und ermöglichen es ihnen, für das Unternehmen wichtige Botschaften kanalübergreifend zu publizieren. Da Verlage zudem vermehrt Angebote zur Lead-Generierung und E-Commerce-Angebote betreiben, sollten Kommunikationsprofis in der Unternehmenskommunikation und im Marketing ihre Zusammenarbeit überdenken. Ich bin sicher, dass eine umfassende Planung von Kommunikationsmaßnahmen und -kampagnen, auch gemeinsam mit Verlagen, weiter an Bedeutung gewinnen wird. Nur so können Unternehmen die Effekte der Digitalisierung der Verlagsangebote nutzen.

 

Frage 05 | Bill Gates hat einmal gesagt, dass wir immer die Veränderungen der nächsten zwei Jahre überschätzen und dagegen den Wechsel unterschätzen, der in den nächsten zehn Jahren passieren wird. Wenn wir in einigen Jahren zurückblicken: Welche Veränderungen haben wir überschätzt und welche unterschätzt?

 

Marco Olavarria| Ist es nicht eher so, dass diese akute Krise Entwicklungen klar hervortreten lässt, die wir sonst vielleicht unterschätzt hätten? Sie erinnert uns daran, wie sehr wir Menschen von der Natur abhängig sind. Hoffentlich gehen wir in der Folge die klimatischen Veränderungen entschiedener an. Das wäre dann auch für die Unternehmenskommunikation vieler Unternehmen hoch relevant. Und in der Krise haben viele quasi über Nacht ihren Arbeitsort gewechselt und entdecken noch einmal neu, wie sehr die Digitalisierung neue Arbeitsweisen ermöglicht. Die Unternehmenskommunikation sollte hier drei Dinge bedenken: Erstens muss die Effektivität der bisherigen Kommunikationskanäle geprüft werden, denn ein Wechsel des Arbeitsorts kann auch das Mediennutzungsverhalten der Zielgruppen beeinflussen. Zweitens ist noch mal ganz klar geworden, dass die Digitalkompetenz der Kommunikation auf den Prüfstand gestellt und ggf. gezielt ausgebaut werden muss. Und drittens müssen Denkgrenzen in der Zusammenarbeit mit anderen Kommunikatoren im Unternehmen niedergerissen werden. Neben Marketing und Sales betrifft dies auch Fachexperten. Die Geschehnisse rund um Herrn Drosten und die Bild zeigen auf, welche Stolpersteine hier auftreten können.

 

Dr. Marco Olavarria lebt und gestaltet aktiv den Wandel in Organisationen. Er ist seit über 20 Jahren als Management-Berater tätig und hat seitdem unterschiedlichste Organisationen bei ihrer Strategie- und Organisationsentwicklung begleitet. Dabei navigiert Olavarria Unternehmen durch die digitale Transformation und bewegt sich mit ihnen am Puls des digitalen Wandels. Schwerpunkte seiner Beratung sind die Unternehmenskommunikation und das Marketing in Unternehmen sowie Medien. Mit seiner Arbeit setzt Marco Olavarria seit Jahren Impulse, zum Beispiel im Bereich des Organisationsdesigns: Mit „Orgazign“ entwickelte er eine innovative Methode, die Teams und Führungskräfte Schritt für Schritt zu zukunftssicheren und nachhaltigen Organisationsdesigns führt.

 

Das Interview finden Sie auch im Whitepaper 06 „Paradigmenwechsel mit Pluspunkten“ der PMG Presse-Monitor auf den Seiten 8 und 9.